Автор работы: Пользователь скрыл имя, 24 Марта 2011 в 13:31, курсовая работа
Im Rahmen meiner Bakkalaureatsarbeit möchte ich mich mit dem Erstlingswerk Aleksandr Solženicyns Odin den’ Ivana Denisoviča beschäftigen.
Die Arbeit als solche nimmt in Odin den’ Ivana Denisoviča einen großen Platz ein - Ivans Tag wird von Arbeit bestimmt. Er beginnt bereits sofort nach dem Aufstehen mit kleineren Arbeiten, untertags ist er auf der Baustelle und arbeitet dort so wie es ihm befohlen wird, und auch nach der Rückkehr von der Tagesarbeitsstelle beginnt er sofort wieder mit kleineren Erledigungen die ihm das Leben im Lager erleichtern beziehungsweise das Überleben sichern. Ivan selbst sagt zu Beginn des Buches selbst über die Arbeit:
„Arbeit und Arbeit – das ist Zweierlei. Das ist wie oben und unten bei einem Stock: Wenn du für vernünftige Menschen arbeitest, dann mach vernünftige Arbeit, aber wenn du für Idioten arbeitest, dann tu bloß so.“ (Solženicyn 1999: 28)
Ich habe nun die Arten
der Arbeit, die in Odin den’ Ivana Denisoviča vorkommen, etwas
anders als es Ivan tut eingeteilt: Grundsätzlich lässt sich der Lageralltag
in Zwangsarbeit und freiwillige Arbeit einteilen, wobei der größte
Teil des Tages mit Zwangsarbeit verbracht wird. Diese Zwangsarbeit wiederum
lässt sich unterscheiden in sinnlose Arbeit, die nur dazu da ist, die
zeki zu beschäftigen oder in irgend einer Weise zu bestrafen, und diejenige
Arbeit die, obwohl gezwungenermaßen verrichtet, Ivan befriedigt und
in der Ivan und auch Andere einen Sinn sehen können. Für erstere Kategorie
lässt sich als Beispiel das Bodenwischen am Morgen heranziehen. Ivan
soll in den Bunker weil er am Morgen nicht sofort aufgestanden ist,
aber man brauchte nur jemanden der in der Wachstube den Boden wischte.
(vgl. (Solženicyn 1999: 24)
Für die zweite Art von
Zwangsarbeit, die Sinnvolle, oder diejenige, aus der sich eine gewisse
Befriedigung ziehen lässt, möchte ich als Beispiel den Mauerbau nennen:
Die Brigade 104 soll an jenem Tag eine Mauer auf dem alten Kraftwerksgelände
aufziehen. Diese Szene könnte man als den Höhepunkt der Erzählung
bezeichnen, sollte es denn überhaupt so einen geben. Ivan und drei
andere Häftlinge sollen mauern, andere mischen den Mörtel oder bringen
Ziegel. Jeder Handgriff Ivans wird beschrieben und dadurch noch mehr
Nähe des Lesers zum Geschehen geschaffen.
Ivan ist beim Aufziehen der Mauer völlig in seinem Element. Er ist ein guter Arbeiter und wird dafür in seiner Brigade auch geschätzt und geachtet. Ivan arbeitet mit Begeisterung und Motivation an der Mauer. Er tut das nicht weil er es muss – obwohl natürlich auch diese Arbeit unter die Kategorie Zwangsarbeit fällt – sondern die Arbeit erfüllt ihn und er arbeitet wie in Trance. Mehr noch, er ist so besorgt um die Qualität seiner Arbeit, dass er es sogar riskiert, zu spät zum Appell zu kommen, weil er noch den letzten Rest Mörtel aufbrauchen will.
Der Brigadier hatte gesagt, sie sollten sich um den Mörtel nicht weiter kümmern. […] Aber Schuchow war etwas seltsam in solchen Dingen, und das hatte er sich auch in acht Jahren Lager noch nicht abgewöhnt. Er war selbst bei Kleinigkeiten noch mit Sorgfalt dabei, und er konnte es gar nicht vertragen, wenn irgendetwas verschwendet wurde. (Solženicyn 1999: 123)
Hier zeigt sich sehr
schön eine Art Umkehrmechanismus: Arbeit soll die Häftlinge demoralisieren,
sie soll hart sein, die Häftlinge schwächen und ihnen sinnlos erscheinen.
Ivan aber holt sich so viel Positives aus seiner Arbeit, dass es ihn
stärker und fast glücklich macht.
Weiters ist noch zu erwähnen,
dass die gesamte Arbeit im Lager nicht an der Qualität sondern an der
Quantität gemessen wird. Die Häftlinge bekommen größere Essensrationen
wenn sie mehr leisten, wie die Arbeit aber dann konkret ausgefallen
ist, ist nebensächlich. Ivan aber riskiert sogar sein Leben nur um
die Qualität seiner Arbeit zu erhalten. Das macht er aber nicht für
die Vorgesetzten, denn sie interessiert es nicht ob diese Mauer stabil
und gut gebaut ist oder nicht, sondern er selbst will für sich gute
Arbeit leisten um sich seine Würde zu erhalten. Das Wichtigste dabei
ist aber, dass Ivan sich durch die Arbeit eine gewisse Freiheit beziehungsweise,
ein Selbstbestimmungsrecht behält. Er hat bezüglich seiner Arbeit
wirklich noch die Wahlmöglichkeit „vernünftige Arbeit“ oder „Augenauswischerei“
zu leisten (vgl. Dunn: 47).
Die dritte Kategorie
der Arbeit, nach meiner Einteilung, sind diejenigen kleinen Arbeiten
und Dienste, die Ivan erledigt um sich sein eigenes Leben im Lager einfacher
und lebenswerter zu gestalten, aber oft auch schlicht und einfach um
zu überleben. Das beste Beispiel dafür sind die Dienste, die er für
Cesar Markovič verrichtet. Er stellt sich für ihn in der Schlange
zur Paketausgabe an und erhält dafür Cesars Abendration Brei. Beim
Nachtappell hilft er, Cesars Paket vor den Wärtern zu verstecken und
bekommt dafür danach einen Happen aus dessen Paket. Er macht auch kleinere
Reparaturen für Mithäftlinge oder organisiert beim Mittagessen zwei
zusätzliche Portionen Kaša, die er dann dafür bekommt. Alle diese
kleineren Arbeiten füllen Ivans Tag vor der Arbeit auf der Baustelle
und nach der Rückkehr von dieser. Auch diese kleineren Erledigungen
sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass Ivan den Lageralltag überlebt,
und die kleinen Extraverdienste helfen ihm, diesen etwas leichter zu
ertragen. Für alle diese Dienste verlangt Ivan aber niemals eine Belohnung,
obwohl er ganz genau weiß, dass sie ihm zusteht. Auch das zeigt wieder,
dass es Ivan wichtiger ist, seine Selbstachtung zu wahren, als das zu
bekomme, das ihm eigentlich zusteht.
Trotzdem tut Ivan nicht alle Dienste nur der Belohnung wegen. Er schenkt zum Beispiel Aleša einen Keks, den er von Cesar bekommen hat, und das nicht irgendeiner Gegenleistung wegen, sondern nur weil er ihn mag. Arbeit ist für Šuchov mehr als Gelderwerb, sie spiegelt die Moral eines Menschen wider (vgl. Dunn: 46).
Karl Marx prägte das
Konzept der entfremdeten Arbeit im kapitalistischen System. Kern unterscheidet
in seinem Aufsatz „Ivan the worker“ zwei Arten der Entfremdung (vgl.
Kern 1977: 5-30): die objektive oder soziologische und die subjektive
oder psychologische Entfremdung. Bei der objektiven Entfremdung geht
es um eine Betrachtung der objektiven Verhältnisse eines Menschen zu
seinem Produkt. Bei der subjektiven Entfremdung geht es um die Gefühle
des Arbeiters selbst: Inwiefern kann sich der Arbeiter mit dem Produkt
seiner Arbeit identifizieren?
Wer oder was kann nun
aber das Objekt der Entfremdung sein? Erstens, das Produkt der Arbeit:
Das Produkt ist nicht mehr dem Arbeiter zugehörig, sondern es ist in
gewissem Sinne unabhängig vom Arbeiter, es untersteht nicht mehr seiner
Macht. Zweitens entfremdet sich der Arbeiter von der Arbeit selbst,
also von dem Prozess der Herstellung des Produkts: Die Arbeit an sich
wird nicht mehr verrichtet um eigene Bedürfnisse, sondern vielmehr
die Bedürfnisse eines Anderen zu befriedigen. In diesem Sinne verausgabt
sich der Arbeiter also nicht für sich selbst, sondern für einen Anderen.
Drittens ist infolgedessen eine Entfremdung von den anderen Menschen,
die mit ihm die Arbeit verrichten, möglich, und letzten Endes erfolgt
die Entfremdung von sich selbst als Mensch und Lebewesen mit sozialen
Kontakten.
Die objektiven Voraussetzungen für eine Entfremdung Ivans von seiner Arbeit sind eindeutig erfüllt. Seine Arbeit ist dehumanisierend und grausam, die Arbeitsbedingungen sind schlecht, es wird nicht die geringste Rücksicht auf die Bedürfnisse der Arbeiter genommen und er verrichtet Arbeit, die ihm aufgezwungen wird. Subjektiv betrachtet ist Ivan aber keineswegs von seiner Arbeit oder dem Produkt seiner Arbeit entfremdet. Er kann selbst, wie bereits erwähnt, die Qualität seiner Arbeit bestimmen (siehe oben),und fühlt sich dadurch mächtig, er kann sich mit seiner Arbeit an der Mauer identifizieren und ist stolz darauf. Kern bemerkt aber weiters in seinem Aufsatz, dass Ivan aber sehr wohl von den anderen Männern entfremdet ist. Und zwar genau aus dem Grund, weil vielen anderen Männern Arbeit und Produkt fremd geworden ist, und sie sich nur noch von äußeren Umständen beeinflussen und leiten lassen. Ivan jedoch leiten immer noch seine ausgeprägten Moralvorstellungen und Werte, die er in all den Jahren im Lager nicht aufgegeben hat. Dadurch werden ihm viele andere Männer fremd. Das Besondere daran ist, dass ihm nicht nur die andern Lagerinsassen fremd werden, sondern auch viele Andere in der sowjetischen Gesellschaft, denn sie teilen nicht mehr die „guten alten Werte“ die Ivan nach wie vor verteidigt. Als Beispiel dafür wären die Teppichmaler in Ivans Dorf zu nennen. Auch sie tun einfach ihre Arbeit, um damit möglichst viel Geld zu verdienen, aber decken dadurch in keiner Weise ihre eigenen Bedürfnisse. Gary Kern beschreibt das Phänomen so:
In effect, by this portrayal of an ordinary man, Solzhenitsyn has turned the Marxist formula upside-down: it is not Ivan or anyone like him who is alienated from this society, but the society which is alienated from him. […] It is the society, not Ivan, which has failed its human potential. (Kern 1977: 5-30)
Auch Kil’gas kann viel Positives aus seiner Arbeit ziehen und ist deshalb wie Ivan keineswegs von Arbeit und Produkt entfremdet. Fetjukov allerdings ist vollkommen entfremdet. Er legt keinerlei Wert auf seine Arbeit und kümmert sich nicht um seine Mithäftlinge.
Angesichts des Umfangs
von Odin den’ Ivana Denisoviča war ich äußerst verwundert
über die Unmengen an Aspekten, die aus Solženicyns Werk herausgeholt
werden können. In meiner Arbeit habe ich versucht, mich auf die mir
am interessantesten erscheinenden Aspekte zu beschränken, zudem das
Thema meiner Arbeit „Arbeit als Überleben“ ist, und ich damit besonders
der Rolle der Arbeit einige Aufmerksamkeit geschenkt habe.
Als Abschluss dieser
Arbeit möchte ich mir gerne diese eine Frage stellen, und diese auch
gerne meinen Lesern mit auf den Weg geben: Wie wirkt die Darstellung
dieses einen, „guten“ Tages auf den Leser? Ist es wirklich schockierender
einen „guten“ Tag darzustellen, als in aller Genauigkeit die Grausamkeiten
„aufzuzählen“?
Gary Kern beschreibt
in seinem Artikel „Ivan the worker“ meiner Meinung nach sehr
treffend, wie es dem Leser während der Lektüre von Odin den’
Ivana Denisoviča geht: „It’s like a bitter joke with not just
one punchline but a whole series of „toppers.“ (Kern 1977: 5-30).
Zur Verdeutlichung möchte ich nur einige Beispiele nennen: Die Häftlinge haben grundsätzlich sonntags frei, wenn aber der Monat fünf Sonntage hat, muss an zwei davon gearbeitet werden. Und auch an den eigentlich freien Sonntagen gibt es immer irgendeine Arbeit die im Lager gemacht werden muss. Solženicyn macht also eine Aussage, die an sich noch relativ positiv klingt - „Die Häftlinge haben grundsätzlich sonntags frei“. Diese Aussage relativiert er dann durch eine Einschränkung, die nicht mehr ganz so positiv ist – „wenn aber der Monat fünf Sonntage hat, muss an zwei davon gearbeitet werden“. Und zu guter Letzt wird der Leser vollkommen desillusioniert indem auch dieser letzte kleine positive Effekt relativiert wird – „Und auch an den eigentlich freien Sonntagen wird gearbeitet“.
Ein anderes Beispiel: Pro Tag können zwei Häftlinge krank geschrieben und von der Arbeit befreit werden, einerseits sind es einmal nur zwei, ganz egal wie viele wirklich krank sind, andererseits müssen auch die Kranken arbeiten – sie müssen schwere Eimer voll Wasser schleppen. Gleich verhält es sich mit den Päckchen, die die Häftlinge von Verwandten bekommen (jeder der das Päckchen in die Hände bekommt erhebt Anspruch auf seinen Anteil), mit den Essensrationen (jeder der die Schüssel in die Hand bekommt, erhält seinen Abschlag dafür), mit der Temperatur, bei der nicht gearbeitet werden muss (über -41 Grad wird nicht gearbeitet, das Thermometer hängt an einer besonders warmen, windgeschützten Stelle) und auch mit den Strafzeiten, die wieder und wieder grundlos verlängert werden (sogar die drei Extratage für die Schaltjahre werden mit eingerechnet). So also werden dem Leser im Handlungsverlauf immer wieder diese „bitteren Pillen“ vorgeworfen, die er nur mehr als Ironie verstehen kann. Kern formulierte dies wiederum wie folgt:
In a sense, the entire day of Ivan Denisovich is a bitter joke: it is an excellent day for him, with a number of little successes and unexpected rewards. But if this is an excellent day, the reader can surmise what is a terrible one. (Kern 1977: 5-30)
Genau dieser Effekt ist auch das, was Odin den’ Ivana Denisoviča so viel eindringlicher als die Masse der Literatur seiner Zeit zu diesem Thema macht und auch heute noch wirkt. Gerade in der heutigen Zeit sind wir ständig mit Brutalität, Gewalt und Unmenschlichkeit konfrontiert, dass sich eine gewisse Abstumpfung nicht vermeiden lässt. Wir lesen tagtäglich von Gewalt in der Zeitung oder sehen Bilder - mögen diese denn real oder fiktional sein - doch über einen außerordentlich positiven Tag in einem stalinistischen Zwangslager, darüber lesen wir nicht so oft.
Die sprachliche Gestaltung
von Odin den’ Ivana Denisoviča stellte sich schon für manchen
Übersetzer als schier unmöglich zu bewältigend dar. Im Russischen
gibt es, wie wahrscheinlich in kaum einer anderen Sprache, einen unglaublichen
Reichtum an Schimpfwörtern, die zu einem großen Teil einfach unübersetzbar
sind. Diese so genannten Mat (materny jazyk), stellen
noch einmal einen komplett anderen Aspekt in Solženicyns Schaffen dar.
Ich möchte mich in meiner sprachlichen Analyse aber auf einige, mir
wichtig erscheinende Phänomene beschränken und den Aspekt der Mat
komplett außen vor lassen. Die Vielfalt der vorkommenden Schimpfwörter
und ihre Interpretation würden den Rahmen meiner Bakkalaureatsarbeit
sprengen. Ich werde mich in meiner Analyse weitgehend auf die Arbeit
John F. Dunns berufen, denn er hat einerseits meiner Meinung nach die
sprachlichen Aspekte in Odin den’ Ivana Denisoviča sehr gut
strukturiert und herausgearbeitet, andererseits ist es für mich als
nicht russische Muttersprachlerin natürlich besonders schwierig, gewisse
Phänomene zu verstehen und zu deuten.
Aber was wollte der Autor
mit seinem eigentümlichen Sprachstil erreichen? Wie bereits angesprochen,
geht es ihm insbesondere darum, die Distanz zwischen Leser und Erzähler
zu reduzieren. Dunn spricht hier von einem „Blick von innen“
(iznutri) der dadurch möglich wird (vgl. Dunn 1988: 76). Solženicyn
bedient sich dazu einer Reihe von sprachlichen Mitteln, die von der
Literatursprache abweichen. Einerseits verwendet er umgangssprachliche
Elemente (razgovornaja reč), die einfache Volkssprache (prostorečie)
sowie Dialekte, Idiolekte und Soziolekte. Andererseits verwendet er
gehäuft die erlebte Rede. Auffallend ist auch, dass es einige Passagen
gibt, in denen es sehr schwierig ist, zwischen Skaz und erlebter Rede
zu unterscheiden (siehe unter Punkt 9 Stimme).
Ich habe mich entschlossen, die Lexik, Syntax und Phonetik in Odin den’ Ivana Denisoviča anzusprechen, und werde auch immer auf die deutsche Übersetzung der jeweiligen Passagen verweisen.
a. Volkssprache, Umgangssprache
Вот хлеба четыреста, да двести, да в матрасе не меньше двести. И хватит. Двести сейчас нажать, завтра утром пятьсот улупить, четыреста взять на работу – житуха! (Solženicyn 1970: 117)
Er hatte seine eigenen 400 Gramm Brot, und auch noch die 200 von Zesar dazu, und dann war noch das, was er in der Matratze versteckt hatte. Das war mehr als genug! Zesars 200 Gramm wird er gleich noch essen, 550 Gramm morgen früh, und zur Arbeit konnte er auch noch 400 Gramm mitnehmen. Schön ist das Leben! (Solženicyn 1999: 170)
Hier verwendet der Autor das Wort житуха, was der Umgangssprache (razgovornaja reč) entstammt. Im Deutschen hingegen muss all jenes, was dieses eine russische Wort житуха ausdrückt, mit einem ganzen Satz wiedergegeben werden. „Schön ist das Leben.“
Старики дневальные, вынеся обе параши, забранились, кому идти за
кипятком. Бранились привязчиво, как бабы. (Solženicyn 1970: 7)
Die Kumpels vom Barackendienst, die die beiden Latrinenkübel hinausgetragen hatten, begannen jetzt herumzustreiten, […]. Das nahm kein Ende, wie bei zwei alten Weibern. (Solženicyn 1999: 20)
Hier wird das Wort
парашa, und nicht etwa туалетная
бочка verwendet.
b. Dialekt, Soziolekt
In einem Artikel wurde
die Verwendung einiger Wörter bei Solženicyn mit der Übersetzung
im Bolshoj tolkovoj slovar’
von Dal’ verglichen und folgende Divergenzen festgestellt (vgl. OQ5):
Bei Solženicyn werden
die Wörter доболтки, зяблый
oder захрясток verwendet, im Wörterbuch von Dal’
lassen sich jedoch nur доболтка,
зябливый und захрястье
finden. Das lässt darauf schließen, dass diese Wörter nicht der Schriftsprache,
sondern einem Dialekt oder Soziolekt angehören.
Auch regionale Partikel kommen in Odin den’ Ivana Denisoviča vor (vgl. Dunn 1988: 84).
Beispiele: лады oder кесь
Фетюков, кесь, в какой-то
конторе большим начальником был. На машине
ездил. (Solženicyn 1970: 47)
c. Lagerjargon
Gemäß einem im
Internet veröffentlichten Artikel kann man nahezu 40 Wendungen oder
einzelne Wörter in OD finden, die dem Lagerjargon zuzuordnen sind (vgl.
OQ5). Солженицын употребляет их исключительно
тактично, с чувством «соразмерности и
сообразности». (OQ5)
Einer dieser explizit
dem Lagerjargon zuzuordnenden Ausdrücke ist шмон (Filzen).
Der gewöhnliche Ausdruck dafür wäre обыск (die Durchsuchung),
da aber das Wort шмон noch viel mehr Informationen gibt,
als das herkömmliche обыск wurde ersteres als Bezeichnung
für die gesamte Prozedur des Filzens verwendet. Auch im Deutschen kann
man die verschiedenartige Konnotation von „filzen“ und „durchsuchen“
spüren. Beim Einen handelt es sich um ein akkurates, genaues Durchsuchen
der Kleidung und persönlichen Habseligkeiten nach Verbotenem, das unangenehm
und gegen den Willen des Eigentümers erfolgt. Bei einer gewöhnlichen
„Durchsuchung“ geht es natürlich auch darum, etwas zu finden, jedoch
fehlt der negative Beigeschmack der Handlung gegen den Willen des Eigentümers,
mehr noch, zu dessen Bloßstellung.
Teilweise werden die
Begriffe kommentiert und erklärt, teilweise sind sie jedoch selbsterklärend.
Es finden sich auch viele Abkürzungen. Als Beispiel dafür möchte
ich das Wort зэк nennen. Es handelt sich hier um eine Abkürzung
des Partizips закючённый, was so viel wie „der Eingeschlossene“
bedeutet. Die Abkürzug зэк wird für einen Häftling benutzt.
d. Neologismen
Solženicyn kreiert auch
selbst neue Wörter:
недокурок:
Das russische Wort für Zigarettenstummel ist окурок, die
Bezeichnung недокурок interpretiere ich als nicht fertig
gerauchten Stummel, denn das Präfix недо- hat die Bedeutung
„nicht fertig“ oder „nicht bis zum Ende“. (vgl. Solženicyn
1970: 26)
каша
безжирная: eigentlich müsste es нежирная
heißen. Die Konstruktion без
жира deckt sich nicht mit der adjektivischen Bedeutung. (vgl.
Solženicyn 1970: 62)
Auch das Verb обоспеть ist eine Kreation Solženicyns und bedeutet всюду ловко успеть( vgl. OQ5). Dies lässt sich auch wieder aus dem Präfix ablesen, denn das Präfix обо- hat oft die Bedeutung „von allen Seiten“, „rundherum“. (vgl. Solženicyn 1970: 117)
a. Ellipse
Ellipsen kommen besonders oft in erlebter oder direkter Rede vor. In einer unreflektierten Sprechsituation wie oft bei Ivan wird der Denkprozess im Sprechakt wiedergegeben. Außerdem werden bestimmte Teile des Satzes einfach weggelassen, die Rekonstruktion des Satzes ist Aufgabe des Lesers (vgl. Dunn: 88).
„-Что-то второй проверки нет... - Кильгас со своей койки заворчал.
- Да-а! - отозвался Шухов. - Это нужно в трубе угольком записать, что второй проверки нет. - И зевнул: - Спать, наверно.“ (Solženicyn 1970: 130)
„Sieht ganz so aus, als ob sie uns nicht noch ein zweites Mal zum Appell rausjagen“, rief Kilgas von seiner Pritsche. „Ja-a-a-a, solchen Tag muss man sich merken. Das passiert nicht alle Tage.“ Er gähnte. „Es wird Zeit zum Schlafen.“ (Solženicyn 1999:187)
b. Parenthese
Aufgrund der Nähe des Erzählten zum Geschehen kommen kaum weitschweifige Diskurse vor. Die Parenthesen spiegeln den Erzähldrang Ivans (des Erzählers) wider – wie in einer realen Gesprächssituation will man immer gleich alles verbalisieren, das einem in den Kopf kommt. Es werden durch Umklammerung oder durch den Einsatz von Gedankenstrichen und Beistrichen zusätzliche Bemerkungen gemacht oder wichtige Informationen gegeben.
„Теперь вроде с обувью подналадилось: в октябре получил Шухов (а почему получил - с помбригадиром вместе в каптерку увязался) ботинки дюжие, твердоносые, с простором на две теплых портянки.“ (Solženicyn 1970: 12)
Информация о работе Arbeit als Überleben in Odin den’ Ivana Denisoviča