Die literatur im umbruch: das spate mittelalter

Автор работы: Пользователь скрыл имя, 15 Марта 2011 в 20:17, реферат

Описание работы

Die deutsche Literatur entwickelte und vervollkommnete sich mehrere Jahrhunderte lang, und jedes davon beeinflusste sie auf eine bestimmte Weise und verursachte manche ihre Besonderheiten. Mehrere Forschungsarbeiten sind dem Erlernen der Literatur aus unterschiedlichen Epochen der deutschen Geschichte gewidmet, aber es existiert trotzdem eine große Anzahl von Streitfragen. In der Wissenschaft werden vielfach solche Fragen umstritten wie Datierung der Texte und ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Epoche, die Standesbestimmung der Verfasser und die geographische Zuordnung.

Содержание работы

Einleitung…………….………………………………………………………………..3

Kapitel 1. Die literarische Charakteristik der Epoche und die historischen Umstände, die die Entwicklung der Literatur beeinflussten………………………………………5

Kapitel 2. Die allgemeine Charakteristik und die wichtigsten Vertreter der epischen Literatur……………………………………………………………………………….8

Kapitel 3. Die lyrische Literatur des späten Mittelalters im Überblick……………...11

Kapitel 4. Die Grundzüge der Entwicklung des geistlichen Dramas………………..13

Kapitel 5. Die Schwankliteratur als das Hauptgenre der weltlichen Literatur der Epoche……………………………………………………………………………….16

Kapitel 6. Die wichtigsten Arten der weltlichen Kleinformen der deutschen Literatur des späten Mittelalters……………………………………………………………….19

Kapitel 7. Die mystische Literatur des späten Mittelalters als Ausdruck der übernatürlichen Aberglauben………………………………………………………..21

Schlussfolgerung…………………………………………………………………….23

Literaturverzeichnis………………………………………………………………….25

Файлы: 1 файл

Курсовая работа. Word 2003.doc

— 118.50 Кб (Скачать файл)

    Nicht geistlich, sondern weltlich ist eine andere Allegorie, „Die Klage der Kunst“, die die Abhängigkeit des Künstlers von der Gunst seiner Gönner behandelt.

    Beide Epiker sollen hier nicht als die „größten Epigonen“ des 13. Jahrhunderts, sondern als die bedeutendsten Vermittler zwischen höfischer und einer sich ihrer selbst erst gewiss werdenden Kultur exemplarisch für vieles genannt werden, was sich im 13. Jahrhundert zwischen Höfen und Städten literarisch ereignet. Beide sind Vertreter eines neuen manieristischen Stils; sprachliches Virtuosentum zeichnet ihre Werke aus. Inhaltlich beschwören sie die alten höfischen Ideale. Da jedoch beide spüren, dass diese Tugenden der Zeit diametral entgegenstehen, dringen in ihre Dichtung bewusst oder unbewusst Elemente der neuen Wirklichkeit ein.

    Als Höhepunkt der spätmittelalterlichen Erzählprosa gilt der um 1400 verfasste „Ackermann aus Böhmen“ von Johannes von Tepl.

    Johannes von Tepl, auch Johannes von Saaz (um 1350 bis 1414) ist der Verfasser der bedeutendsten spätmittelalterlichen Prosadichtung „Der Ackermann aus Böhmen“. In diesem Werk, das gegen 1400 entstandenen ist, handelt es sich um ein Streitgespräch zwischen dem Ackermann und dem Tod, das nach der Art des mittelalterlichen Gerichtsprozesses aufgebaut ist. Der Ackermann bringt dem Tod seine Klage über den Verlust seiner Frau entgegen, um diesen zur Rechenschaft für die Zerstörung einer diesseitigen Lebenserfüllung zu ziehen. Der Tod seinerseits nimmt für sich in Anspruch, Vertreter der Macht Gottes zu sein, und bezichtigt den Ackermann der Auflehnung gegen die bestehende Weltordnung. Das Gespräch erstreckt sich über 32 Kapitel, in denen Ackermann und Tod wechselweise zu Wort kommen. Beendet wird der Streit im 33. Kapitel durch ein Urteil Gottes, das den Gegenspielern Überheblichkeit vorwirft, jedoch beiden auch eine gewisse Rechtfertigung widerfahren lässt. Dem Ackermann billigt das Urteil Ehre zu, dem Tod hingegen den Sieg. Die sonst übliche Verbindung von Ehre und Sieg wird hier also getrennt.

    Das Motiv des Zwiegespräches zwischen Witwer und Tod geht auf eine Tradition des Mittelalters und der Antike (vor allem auf Seneca) zurück. In seiner Gestaltung dieses Themas stellt „Der Ackermann aus Böhmen“ jedoch eine originäre Leistung dar. Auf die stilistische Geformtheit des Werkes sowie auf die rhetorische Gestaltung der Argumentation ist in der Forschung vielfach hingewiesen worden. Sprache und Stilistik des „Ackermann aus Böhmen“ gehen jedoch nicht in der traditionellen Rhetorik auf, sondern weisen deutlich über sie hinaus. Bezeichnenderweise führt die Aufbietung der rhetorischen Mittel im Dialog gerade nicht zu einer eindeutigen Entscheidung zugunsten einer der beiden streitenden Parteien. Nicht im Sieg über den Tod liegt die Würde des Menschen, sondern in seiner Endlichkeit bzw. in der Weise, seine Endlichkeit angesichts des Todes sprachlich zu begreifen [4; S.775-776].

 

KAPITEL 3

  DIE LYRISCHE LITERATUR DES SPÄTEN MITTELALTERS IM ÜBERBLICK

 
 

    Auch in der Lyrik wirken die staufischen Klassiker wie Reinmar oder Walther nach, sie sind nachzuahmende Vorbilder. Aber in dieser Zeit leben und schaffen auch solche Lyriker, die von riesiger Bedeutung für die deutsche Literatur sind.

    Ein wahrer Abenteurer unter den Lyrikern ist der aus südtirolischem Adelsgeschlecht stammende Oswald von Wolkenstein. Abenteuerlich ist sein Lebensweg, höchst originell sind seine Werke. Er ist ein querköpfiger, robuster Mensch, der schon Züge des selbstherrischen Renaissance-Menschen trägt. Unruhig wie sein Lebenslauf ist auch seine Lyrik; persönliche Erlebnisse durchsetzen sein Werk. Er gefällt sich in gelehrtem Faktenwissen, spielt gerne mit Worten und Bildern, liebt ironische und parodistische Brechungen, so dass seine Dichtung zu schwierig zu entschlüsseln ist. Oswald sprengt jede Sprachnorm. Seine Sprache ist gejagt, gehetzt, abrupt – je nachdem, welche reale Situation er beschreibt. Er benutzt Imperative, Kurzzeilen und Ausrufe, um eine wirklichkeitsnahe Stimmung wiederzugeben. Er kennt keine Verkünstelung des Ich, sondern stellt sich prall mitten hinein in das Geschehen.

    Oswald stammte aus der Südtiroler Adelsfamilie der Vilanders, die sich nach Schloss Wolkenstein im Grödnertal benannte, und wurde vermutlich auf Schloss Schäneck im Pustertal geboren. Bereits mit etwa zehn Jahren trat er in den Dienst eines fahrenden Ritters und begann ein abenteuerliches Wanderleben, das ihn durch weite Teile Europas, vermutlich gar bis in den Vorderen Orient führte. Mit dem Tod seines Vaters im Jahr 1400 und seiner Rückkehr nach Tirol setzte ein langwieriger Erbschaftsstreit ein, der 1421 eine zweijährige Gefangenschaft Oswalds bei seinen Widersachern mit sich brachte. Auch im politisch-militärischen Bereich war der Dichter in zahlreiche Auseinandersetzungen verwickelt. Seit 1415 stand er in den Diensten König Sigismunds und nahm und auch an den Feldzügen gegen die Hussiten in den Jahren 1420 und 1431 teil und geriet von September 1421 bis März 1422 in Gefangenschaft. Danach hatte er wichtige Ämter in Südtirol inne. Oswald starb am 2. August 1445 in Meran.

     Das Werk Oswalds ist mit insgesamt rund 130 Liedern und zwei Reimpaarreden gut überliefert. Die Liedersammlung zeichnet sich sowohl in gattungsmäßiger wie in thematischer Hinsicht durch eine außerordentliche Spannweite aus. Sie umfasst Reiselieder, Trink- und Tanzlieder, Tagelieder, sowohl traditionell höfische als auch betont sinnlich-erotische Liebeslieder sowie politische Lieder. Charakteristisch für Oswalds Dichtung mit ihren Themen wie Gefangenschaft, Frauen, Wein, Geldproblemen und Reiseerlebnissen sind vor allem stark subjektiv- autobiographische Züge, aber auch der Hang zur Burleske. Neben weltlichen verfasste Oswald auch einige geistliche Lieder. Von großer Bedeutung sind auch die von ihm selbst komponierten, teils bereits mehrstimmigen Melodien, die zu fast allen Texten erhalten sind. 

    Er wird heute als der bedeutendste Liederdichter des deutschen Spätmittelalters angesehen. Sein vorwiegend in zwei von ihm selbst veranlassten Handschriften überliefertes Werk umfasst zwei Reimpaarsprüche und130 Lieder mit den Melodien. 40 davon sind mehrstimmig, die übrigen einstimmig. Das Liedwerk Oswalds stellt geradezu eine Enzyklopädie der um 1400 gebräuchlichen Liedtypen dar (geistliches, politisches Lied, Liebeslieder aller Arten, Neidhart-, Trink-, Tanz- und Spruchlieder). Autobiographisches wird breiter thematisiert als bei jedem anderen Autor des deutschen Mittelalters.   

    Die Dichtung dieses Autors zeigt zuerst noch die strenge mittelalterliche Liedkunst: Melodie, Strophenbau, Sprachgefüge, Motivzusammenhang und Gehalt aneinander gebunden. Doch Oswalds Liebesdichtung ist kein Minnesang hohen Stils mehr, sondern die Geliebte ist eine reale Erscheinung; einzelne Liebeslieder sind Ehelieder; Schlichtes steht neben Überladenem oder spielerisch Zugerichtetem; Persönliches wird freigelegt.

    Die frühe Lieddichtung Wolkensteins hat noch keine Lebensfülle der späteren Schöpfungen, zeigt aber bereits einen weiten Reichtum an Motiven: Sehnsucht, Beglückung, Abschiedsschmerz; Tagelieder verteilt auf die Stimmen des Ritters, der Frau und das Wächters in allen Formen und Reimkünsten, Duette zwischen Knecht und Magd, Terzette zwischen Knecht, Magd und Herrin, Zwiegesang von Hirt und Hirtin usw.

    Die Lyrik der reifen und späten Mannesjahre Oswalds ist erfüllt mit unmittelbarem Erleben. Eine Anordnung an überlieferte Gattungen ist kaum mehr durchführbar. Die Sprache erscheint bis zu den äußersten Grenzen des Möglichen versinnlicht. Das weitere Liedschaffen spiegelt immer wieder das persönliche Erleben. Die biographischen Erscheinungen veranlassen ehemalige Lieder des ehelichen Glücks, lassen auch die Lieder der religiösen Besinnung, Todessorge, Klagen über körperliche Leiden entstehen. Der Tiroler Oswald von Wolkenstein war in seiner Person und Höhe der Leistung ein genialer Einzelgänger [5; S.282-283]

 

KAPITEL 4

DIE GRUNDZÜGE DER ENTWICKLUNG DES GEISTLICHEN DRAMAS

 
 

    Geistliches Drama, auch geistliches Spiel genannt, ist eine Bezeichnung für die religiös-didaktische Literatur im Mittelalter; seine inhaltlichen und formalen Eigenarten resultieren aus der engen Verklammerung mit dem christlichen Heilsdogma.

    Das geistliche Drama, die wichtigste Gattung der geistlichen Dichtung, umfasste Osterspiele, Passionsspiele, Marienklagen, Weihnachtsspiele, Leben-Jesu-Spiele, Prophetenspiele, Paradiesspiele, Prozessionsspiele, Legendendramen usw. Im Unterschied zum weltlichen Drama sind seine lateinischen Fassungen bekannt und können mit den neuen volkssprachigen Visionen verglichen werden. Die geistlichen Dramen werden in erster Linie vom städtischen Klerus inszeniert und geleitet, Bürger und Studenten stellen die Akteure. Stets ist das biblische Geschehen zugrundegelegt, aber bei der Ausgestaltung der einzelnen Szenen und Figuren hatten die Bearbeiter freie Hand. Die Tendenz zu einem immer größeren Figuren- und Szenenaufwand zwang zum Schritt aus der Kirche auf den Marktplatz; ineins damit vollzog sich eine gewisse Verweltlichung der Szenen- und Personengestaltung (es treten Krämer und Ritter auf, Teufels- und Rüpelszenen haben zum Gaudium der Zuschauer schon schwankhafte Züge).

    Geistliche Dramen waren über den gesamten deutschen Sprachraum verbreitet. Sie waren standortgebunden und erforderten oftmals eine großflächige, mehrere Ebene umfassende Simultanbühne, die von den Darstellern erst nach Ende der Vorstellung verlassen werden durfte; gelegentlich – besonders im Passionsspiel – wurde das geistliche Drama auch in Form eines Umzugs von Szene zu Szene gestaltet. Individualität durften die Schauspieler ihrer Rolle nicht verleihen, sie hatten sich auf eine maskenhafte Repräsentanz zu konzentrieren. Das geistliche Drama des Spätmittelalters ist wichtiger Bestandteil einer neuen, volkstümlichen Frömmigkeitsbewegung, deren Kernstück freilich in der Figur der Mutter Maria als gnadenreicher Helferin der sündigen und durch zahlreiche Gefahren auch beängstigten Menschen besteht; die Gottesmutter wird Gegenstand zahlloser, zunächst mündlich tradierter Marienlegenden; sie findet ebenso Eingang in die Malerei und Bildende Kunst wie in die Kleinepik und die lyrisch-hymnische und dramatische Dichtung. Mit dieser Entwicklung ist ein Anknüpfungspunkt an die zweite und dritte cluniazensische Generation der Legenden- und Mariendichtung gegeben, und es mag dadurch deutlich werden, welch erstaunliche Kontinuität die geistliche Dichtung insgesamt vom 11. bis zum 13. und 14. Jahrhundert zu wahren wusste. Es mag daran ebenso bewusst werden, welch engen sozialen Geltungsbereich die frühhöfische wie die höfisch-ritterliche Dichtung eingenommen hatten; während die geistliche Dichtung auf breitester Ebene zu volkstümlichen Formen gefunden hat, ist die höfische Dichtung stets auf die adelig-geistliche Führungsschicht und, gewiss schon eingeschränkt gültig, auf das Stadtpatriziat beschränkt geblieben.

    Während des Zeitraums vom 11. zum 13. Jahrhundert sind die christlichen Grundtöne der Todesgewissheit, der Vergänglichkeit alles Irdischen, der Ungewissheit des Seelenschicksals nach dem Tode gültig und in vollem Umfang durchgehalten worden, ja sie haben doppelbödig in der allegorischen Gestalt der Frau Welt, in deren Darstellung sich Schönheit und Verwesung, Leben und Tod mischen, frühzeitigen Eingang in die höfisch-ritterliche Dichtung gefunden, wo bei Walther von der Vogelweide, Konrad von Würzburg, Frauenlob u.a.m.

    Aber diese Tradition trifft nicht mehr auf denjenigen mittelalterlichen Kosmos, dessen Pole zwieträchtig von Papst und Kaiser gebildet werden; die geistige Unsicherheit der Zeit verlangt nach pragmatischeren Orientierungsmustern.  Deshalb ist die lehrhafte, moralistische Dichtung, die von Geistlichen wie Laien verfasst wird, für das Spätmittelalter von großer Bedeutung. Es kommt in dieser Dichtung darauf an, den Christen darüber zu belehren, wie er sich in dieser Welt zu verhalten habe, ohne ihr zu verfallen; diese Dichtung appelliert an die Klugheit des Christenmenschen, der seinen Frieden mit Gott und der Welt als christlich-profaner Quadratur des Zirkels machen soll. Sie stellt keine bürgerliche Ständedidaxe dar, sondern geht im Ansatz von einem christlichen Universalismus aus. Im Angesicht des Jüngsten Gerichts und der Zehn Gebote sind König und Bettler, Bürger und Ritter gleich.

    Osterspiel ist die älteste mittelalterliche Dramenform, die für die Ausgestaltung des geistlichen Dramas eine zentrale Rolle spielte. Das Osterspiel thematisiert das österliche Heilsgeschehen. Es entstand aus der Liturgie der Osterfeier. Den Kern bildete der zur österlichen Liturgie gehörende, im 10. Jahrhundert entstandene Wechselgesang zwischen den von Geistlichen dargestellten drei Marien und dem Engel am leeren Grab Christi. Im Lauf der Zeit wurde diese Kernszene durch die Aufnahme weiterer zum Ostergeschehen gehörender Szenen (etwa die Begegnung Christi als Gärtner mit Maria Magdalena, Auferstehung Christi, Wettlauf von Petrus und Johannes zum Grab usw.) ergänzt. Auch wurde die dramatische Handlung in der Folge immer mehr betont, so dass die anschauliche, lebendige Darstellung des Heilsgeschehens ins Zentrum des Interesses rückte.

    Aus dem Osterspiel entwickelte sich das Passionsspiel. Auf dieselbe Weise übernahmen die Weihnachtsspiele die Textformeln der liturgischen Weihnachtszeremonie. Die oft mehrtägigen Aufführungen wurden an hohen kirchlichen Feiertagen (neben Ostern und Weihnachten Christi Himmelfahrt, Fronleichnam, Patroziniumsfeste usw.) gemeinsam von Klerus und Laien auf städtischen Plätzen vor einem Massenpublikum dargeboten.

     Inhaltlich griffen die Verfasser geistlicher Dramen biblische Stoffe auf (Bibelspiele): bereits die frühen englischen und französischen Mysterienspiele wie auch die ersten Passionsspiele aus dem deutschen Sprachraum stellten die gesamte Heilsgeschichte von der Weltschöpfung bis zur Ankündigung des zu erwartenden Weltendes dar. Spätere Passionsspiele konzentrieren sich auf die Darstellung der Leidensgeschichte Christi; das Jüngste Gericht steht im Zentrum der eschatologischen Spiele und der so genannten Antichristspiele.

    Eine weitere Gruppe bilden die Mirakelspiele, dramatisierte Heiligen- und Märtyrerlegenden. Unabhängig vom biblischen Motivbereich argumentierten die lehrhaft-allegorischen Sinnspiele bzw. Moralitäten, in denen Personifikationen menschlicher Tugenden und Laster auftraten [6].

 

KAPITEL 5

DIE SCHWANKLITERATUR ALS DIE HAUPTGENRE DER WELTLICHEN LITERATUR DER EPOCHE

 
 

    Mit Schwank und Fastnachtspiel sind weltliche Literaturformen des Spätmittelalters vorzustellen, die unterhaltenden Charakter haben. Schwank wie Fastnachtspiel erfreuten sich großer Beliebtheit, und ein nicht unwesentlicher Grund für die breitgefächerte Aufnahmebereitschaft des Publikums gegenüber dem geistlichen Drama wird darin bestanden haben, dass szenische und figürliche Elemente aus der komischen in die geistliche Dichtung übertragen würden. Während der Schwank auf eine bis in die Antike zurückreichende Tradition verweisen kann, tritt das Fastnachtsspiel erstmals im 15. Jahrhundert in schriftlich fixierter Form auf. Das komische Genre des Schwanks entstammt keiner genuin literarischen Form, sondern einer allgemeinmenschlichen Lust auf Entspannung, Witz, Satire und Ironie. Der Schwank ist mit dem Märchen, der Anekdote, der Fabel, dem Witz, dem Exempel, der Humoreske verwandt. Ihm zuzuordnen sind und auch so weitverbreitete Themen der Zeit wie der „Wettlauf des Hasen mit dem Igel“. Die lateinisch überlieferte Schwankdichtung des Mittelalters wirkt direkt auf die im 14./15. Jahrhundert feststellbaren Formen und Themen ein. Im Rahmen der sich entwickelnden Kleinepik verselbständigt sich der Schwank und wird zu einer eigenständigen Erzählform, die von der Pointe bestimmt ist. Die Schwankdichtung des Spätmittelalters wendet sich zunächst an den Adel und das Patriziat, und erst im Laufe des 16. Jahrhunderts kommt der volkstümliche Prosaschwank auf.

    Aus der Vielzahl der überlieferten Schwankliteratur sei als Beispiel Heinrich Wittenwilers „Ring“ herausgegriffen. Wie kein anderes Werk seiner Zeit hängt Heinrich Wittenwilers „Ring“ vielfältig im Netz der kleinen Reimpaargedichte und ist unter den verwandten Großformen zugleich ein Fremdkörper.

Der Verfasser stammte wohl aus einer thurgauischen Familie, die in dem Städtchen Lichtensteig im Toggenburg ansässig war. Den „Ring“ verfasste er wohl um oder nach 1400. Das Werk ist – sehr ungewöhnlich für die Zeit – in einer alemannisch-bairischen Mischsprache abgefasst, was auf einen auswärtigen Auftraggeber oder ein intendiertes überregionales Publikum schließen lässt.

    Der Prolog gliedert das Werk thematisch in drei Teile: der erste soll Turnieren und höfisch um eine Frau Werben lehren. Der zweite soll darin unterweisen, wie man sich innerlich, äußerlich und gegenüber der Welt richtig verhält, der dritte, wie man in Not- und Kriegszeiten am besten fährt. Zum Zwecke solcher Unterweisung nutzt Wittenwiler gezielt das Potential der verschiedensten Redetypen: Minnereden(Werbungslehre, Briefe, Allegorie), Stände-Tugendreden (Ehedebatten, Schülerlehre, Überweisung über die vier Kardinaltugenden), geistliche Reden (Glaubenslehre, Memento mori), pragmatische Reden (Turnierlehre, Rezept zur Vortäuschung der Jungfräulichkeit, Haushaltung und Hausrat, Gesundheitslehre, Kriegführung). Neben solchen Redepassagen verwendet er aber auch Teile der Handlung selbst, so zum Beispiel die Fress- und Sauforgie der Hochzeitsfeier, in der er präzise eine negative Tischzucht verschlüsselt. Ferner montiert er literarische Versatzstücke (negative weibliche und positive männliche Schönheitsbeschreibung, Tanzlieder, Gesellschaftslied, Tagelied) und Gebrauchstexte ein (Vaterunser, Ave-Maria, Beichtformel in Prosa). Die Erzählung übertrifft immer wieder alles, was wir an parodistischen und komischen Reden oder Schwänken der Zeit kennen. Diese brisante Mischung aus schwarzem Humor und Obszönität in einem Extrem und hohem Ernst und ethischem Anspruch im anderen hat in der Forschung viele Fragen und Kontroversen hervorgerufen. Wittenwiler selbst war sich der Verwirrung, die das Werk stiften mochte, bewusst und gibt dem Leser gewisse Verständnishilfen.

    Er betont gleichfalls, dass man hier keine Ständesatire auf die Bauern beabsichtigt. Es ist auf einen gehobenen standbürgerlichen Horizont ausgerichtet.

    Es ist weder zu hoffen, noch zu befürchten, dass man sich auf die Gattungszugehörigkeit des „Rings“ oder den Standpunkt und die Perspektive seines Autors bald wird einigen können. Das Werk ist ein Schwankroman, der in einer Massenschlacht endet, eine Enzyklopädie menschlichen Verhaltens, die von Narren ausagiert wird. Nach Lehrinhalten ist der „Ring“ breiter gestreut als andere didaktische Großformen der Zeit. In Analogie zu zeitgenössischen Sammelhandschriften könnte man ihn auch als „Handbuch“ bezeichnen, freilich eines, das in eine verkehrte Welt verpackt ist.

    Mit seinen drei Handlungsschritten ist der „Ring“ der Belehrung über die ritterlichen und die musischen Künste (Minneparodie als Motiv der Brautwerbung), der Entwicklung einer Tugendlehre, eines Schülerspiegels, einer Christenlehre, einer Haushaltungslehre und einer Gesundheitslehre (als den parodistischen Gegenständen der „Gelehrtendisputation“ vor der Hochzeit), einer ins Farcenhafte übertriebenen Tischzucht während des Hochzeitsmahls und einer Belehrung über das Kriegs- und Belagerungswesen während der abschließenden Kampfhandlungen gewidmet.

    Wittenwiler hat diese didaktische Absicht im Umfeld der dörflich-bäuerlichen Lebensweise angesiedelt, aber er kritisiert damit keineswegs den vierten Stand; seine „Bauern“ sind ins Komische übertriebene Stadtbürger, unter denen er wohl auch sein Publikum gesucht hat, weil sie einzig in der Lage waren, die Summe seiner Anspielungen auf den zeitgenössischen Bildungshorizont zu verstehen. „Das Werk enthält die Synthese der Möglichkeiten spätmittelalterlicher Dichtung. Wir haben damit ein Epos vor uns von inneren Dimensionen, wie es die Zeit schon lange nicht mehr aufzuweisen hatte. Weltbild und Wirklichkeitsauffassung des Dichters ermöglichen seinem eminenten Gestaltungsvermögen die enge Verbindung von kräftigem Naturalismus und willkürlich-grotesker Phantastik, Übersteigerung und Verzerrung“ (H. Rupprich).

    Großer Beliebtheit erfreuten sich Schwänke, deren Hauptfigur Till Eulenspiegel war. Er war ein Bauernschelm, der Anfang des 14. Jahrhunderts in Deutschland gelebt haben soll. In den zahlreichen Volksbüchern und Legenden wurde Till Eulenspiegel zum Prototyp des bauernschlauen Pfiffikus, der einfaches Volk und Standespersonen durch List und Wortwitz hinters Licht führt und des Öfteren auch in bescheidenem Maße schädigt.

    Berühmt ist die Episode, in der er als Bäckergehilfe einen ärgerlichen Ausspruch seines Brotherrn wörtlich nimmt und „Eulen und Meerkatzen” backt. Ansonsten wurden meist Respektspersonen, wie etwa kirchliche Würdenträger und Adelige, übertölpelt. Eulenspiegel reflektiert dabei auch satirisch-ironisch die herrschenden gesellschaftlichen Konventionen [2; S.124-127].

Michail Bachtin, wichtigster Theoretiker dieser spätmittelalterlichen Lachkultur, schreibt: „Das mittelalterliche Lachen ist kein subjektiv-individuelles und kein biologisches Empfinden der Unaufhörlichkeit des Lebens – es ist ein soziales, ein das ganze Volk umfassendes Empfinden. Der Mensch empfindet die Unaufhörlichkeit des Lebens auf dem öffentlichen Festplatz, in der Karnevalsmenge, indem er sich mit fremden Leibern jeden Alters und jeder sozialen Stellung berührt. Er fühlt sich als Glied des ewig wachsenden und sich erneuerndes Volkes. Deshalb schließt das festtägliche Lachen des Volkes nicht nur das Moment des Sieges über die Furcht vor den Schrecken des Jenseits, vor dem Geheiligten, vor dem Tod in sich ein, sondern auch das Moment des Sieges über jede Gewalt, über die irdischen Herrscher, über die Mächtigen der Erde, über alles was knechtet und begrenzt. Indem das mittelalterliche Lachen die Angst vor dem Geheimnis, vor der Welt und vor der Macht besiegte, deckte es furchtlos die Wahrheit über Welt und Macht auf. Es stellte sich der Lüge und der Beweihräucherung, der Schmeichelei und der Heuchelei entgegen. Die Wahrheit des Lachens „senkte“ die Macht, paarte sich mit Fluchen und Schelte. Träger dieser Wahrheit war neben anderen auch der mittelalterliche Narr.“

Информация о работе Die literatur im umbruch: das spate mittelalter